Liebwies : Roman

Diwiak, Irene, 2017
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Medienart Buch
ISBN 978-3-552-06347-1
Verfasser Diwiak, Irene Wikipedia
Systematik DR - Romane,Erzählungen, Prosa
Schlagworte Roman, Sängerin, 1924
Verlag Deuticke
Ort Wien
Jahr 2017
Umfang 334 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Irene Diwiak
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Cornelia Gstöttinger;
Geschmückt mit fremden Federn. (DR)
In diesem außerordentlich gut erzählten Erstlingswerk hat man es mit narzisstischen Selbstdarstellern und verborgenen Genies im Kunstbetrieb der Zwischenkriegszeit zu tun: Ein desillusionierter Musiklehrer, nach dem Ersten Weltkrieg seiner Arbeitsstelle, seiner Ehefrau und seiner zweiten Nasenhälfte beraubt, macht im abgeschiedenen Dorf Liebwies eine herausragende Entdeckung für die Musikwelt. Ein Kunstmäzen lässt sich in seiner Trauer um seine Ehefrau blenden und erwacht zu spät aus seiner traumwandlerischen Selbsttäuschung. Eine naive Schönheit vom Land mutiert zum Star einer Oper, obwohl sie keinerlei Talent hat. Eine von allen unterschätzte Künstlerin bleibt in der Erinnerung so unscheinbar, wie ihr Auftreten war. Ein selbstverliebter Dichter, der in einem - äußerst kurzen - Moment der Klarheit erkennt, dass seine Kunst so gehaltvoll und tragfähig wie eine "alte, leere Einkaufstüte" ist, wird zum gefeierten Komponistengenie à la Wagner.
All diese Figuren (und noch mehr!) haben ihren schillernden Auftritt in Irene Diwiaks Debütroman, der einen herrlich bösen Blick auf den Kunstbetrieb wirft und die Frage nach wahrer Schönheit stellt. Es sind Figuren, die einem im Gedächtnis bleiben. Diwiak hat sie mit großer Sorgfalt gezeichnet, sie mit skurrilen Eigenheiten ausstaffiert, ihnen Leben eingehaucht, sie zu Unikaten gemacht.
Virtuos und stimmgewaltig fügt die junge Autorin einzelne Charakterstudien zu einem detailliert ausgemalten Zeitpanorama zusammen, in dem zwei Frauen im Zentrum stehen: eine betörend schön und überschätzt, eine blass und hochbegabt. In ihrem Streben nach Glück sind sie tragisch miteinander verbunden. Eine bemerkenswerte neue Erzählstimme aus Österreich. Allen Büchereien zu empfehlen!

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Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp);
Autor: Margot Schwienbacher;
In einem Kaff irgendwo in den Bergen entdeckt ein Musiker das ungewöhnliche Gesangstalent eines jungen, analphabetischen Bauernmädchens. Doch aus Zufall - oder blinder Schicksalsfügung - bekommt ihre bildschöne, aber völlig untalentierte Schwester die Chance, in der Stadt eine Musikkarriere zu machen. Einen wichtigen Beitrag zu ihrem Erfolg leistet ein Opernkomponist, der sich selbst für genial und unerreicht hält, doch eigentlich mit den Kompositionen seiner unscheinbaren, aber talentierten Ehefrau Furore macht.
Eine irrwitzige und grandiose Satire voller schillernder Haupt- und Nebenfiguren, die sich zwischen den Nachwehen des Ersten Weltkriegs, dem schrillen Großstadtmilieu der Wilden Zwanziger und dem heraufziehenden Nationalsozialismus bewegen. Komisch, bitterböse und voller schwarzem Humor.
Für alle Bibliotheken.

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Quelle: Literatur und Kritik;
Autor: Helmut Gollner;
Das Blaue vom Himmel
Zu Irene Diwiaks Debütroman "Liebwies"
Irene Diwiak, 26, hat eine hübsche ironische Erzählstimme, mit der sie ihre Figuren durchschaut und nicht ernst nimmt (mit Ausnahme von Ida, an der ihr liegt). Aber das ist Komödiengesetz. Komödienpersonal, zu Typen geplättet, ist genuin lachhaft. Männer erblinden hilflos und umstandslos bei Liebesbefall, Celebrities sind prinzipiell hohl. Manchmal gewinnt Diwiaks Komödie die Bissigkeit von Gesellschaftssatire.
Diwiak erzählt das Blaue vom Himmel und schafft dabei einiges Vergnügen. Die analphabetische Gisela aus dem Nest Liebwies wird in eine Sängerinnenkarriere manövriert, nicht weil sie Stimme hat, sondern weil der Musikexperte Wagenrad sich in sie bis zu besagter Männerblindheit verliebt hat. Der wagnerianische Kunstpopanz Gussendorff komponiert extra für sie eine Oper mit stummer Hauptrolle, genauer gesagt, er stiehlt seiner Frau Ida ihre heimlichen Kompositionen. Ida ist eine völlig unscheinbare Fabrikantentochter ("außerdem schien sie keine richtige Nase zu haben, sondern nur ins Gesicht gebohrte Nasenlöcher"). Während des Gebärens hat ihre Mutter, die Streichholzfabrikantin, mit einem Amerikaner ­dessen neue Erfindung verhandelt. (Dieser verlässt nach der Absage der Ida-Gebärenden wortlos Zimmer, Haus, Land, stellt das Erfinden ein, wird Farmer und hängt sich nach einer Missernte an einen Apfelbaum.) Jedenfalls, die Oper "Gräfin der Stille" wird gegen alle Logik ein Riesenerfolg. Ida verliebt sich in den neuen Star Gisela und gewinnt sie für die Wunder der lesbischen Liebe. Ihr Mann, der diebische Popanz, stirbt an Übergewicht. Das ist Ida aber herzlich egal, sie fährt mit Gisela während des Begräbnisses auf Liebesurlaub. Dort lernen wir Herrn Herrmann kennen, den Versicherungsbeamten, der allabendlich als singender Transvestit in eben jener Spelunke auftritt, in der sich Ida und Gisela ineinander verfangen. Herrmann kann sich an seine Zeugung erinnern, seit der er sich im falschen Geschlecht fühlt. Gisela hinwie­derum hat außer Schönheit nur Eitelkeit und die Liebe Idas nur als eine weitere Huldigung für ihre Prominenz genossen. In der banalen heterosexuellen Welt ist sie längst mit dem schönen Arzt Dr. Römer liiert. All das geschieht in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg.
Im letzten Teil des Romans sind wir dann im Jahr 1943. Dr. Römer ist Nazi, seine Frau Gisela unschön verfettet, Ida hingegen ist schön geworden und jung geblieben. Also wird sie Opfer der Rache Giselas, die die Umkehrung der Rollen nicht erträgt und wie alle Prominenten nicht nur hohl ist, sondern auch böse, wenn ein Notfall das verlangt.
Diwiak erzählt gerne und oft unterhaltsam. Sie ist gut in ironischer Detailmalerei und Typencharakteristik. Aber eine Schwäche durchzieht den Roman von Beginn an: der Glaube der Autorin, dass man die Dinge herbeierzählen kann, wie man sie gerade braucht. Das ist der Irrglaube, dass in der Literatur etwas gilt, einfach weil man es sagt. Das ist auch in gutgelaunten Komödien nicht immer möglich. Schicksal wird zu oft von der Willkür der Autorin dirigiert, Psychologie durch Verhaltensklischees ersetzt. Richtig ärgerlich wird Diwiaks Erzählwillkür aber erst am Schluss: Fürs letzte Hundertstel des Romans setzt die Autorin plötzlich die Maske tragischen Ernsts auf (wie sie die böse Zeit der Nazis zu fordern scheint) und widerspricht damit 99% ihres Buches. Die Verwandlung lässt sich nicht dadurch herbeiführen, dass man sie behauptet. Und wie zur Bestätigung der narrativen Verirrung setzt Diwiak an den Schluss den Satz: "Ida weiß, dass es der letzte warme Tag des Jahres sein wird." Bebende Metaphorik und ungemäße Melodramatik, d.h. vor allem Unglaubwürdigkeit.
Jugendlich also: erfrischend und fehlerhaft.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Opernfiguren brauchen vor allem eines: Viel Luft rund um sich, damit sie sich stimmlich ausbreiten und ihre Persönlichkeit entfalten können.
Irene Diwiak kümmert sich in ihrem grotesken Anti-Künstler Roman um diese viele Luft, die die Helden auf ihren Wegen an der Peripherie der Gesellschaft umgibt. Als Höhepunkt kommt es zu einer Aufführung des unheimlich kasteiten und kastrierten Werkes "Die Gräfin der Stille".
Der Beginn ist ernüchternd wie der Beginn von Kafkas Schloss. Ein Heimkehrer aus dem ersten Weltkrieg hat seinen Nasenflügel verloren und daher auch seine Stelle als Musiklehrer in der Landeshauptstadt. Er lässt sich eine Fahrkarte aufs Land aussuchen, und als er im Zug den Namen eines Fuzzi-Dorfes hört, fährt er nach Liebwies, wo er ähnlich wie seinerzeit der Landvermesser nicht willkommen ist. Während des Unterricht dfc s an der dortigen Volksschule hat er es mit hässlichen Menschen zu tun. Ein besonders hässliches Mädchen kann aber gut singen. Als aus der Stadt ein Musikdirektor kommt, um diese Stimme zu hören, nimmt er Gisela, die Schwester der Hässlichen, weil sie ausschaut wie seine verstorbene Frau, und er verspricht ihr eine Gesangskarriere.
An anderer Stelle wird eine Fabrikantin von einem Erfinder heimgesucht, der ihr einen Vorgänger von Tweet vorstellt, es kommt aber zu keinem Geschäft, weil die Fabrikantin schnell eine Geburt hinlegt. "Ich gebäre immer so schnell wie möglich." (123) Aus der Schnellgeburt entsteht Ida, die Klavierspielerin werden möchte. Sie wird später von einem wahnsinnigen Komponisten gesichtet und sofort geheiratet. Heimlich komponiert sie, und der eigene Mann klaut ihr schließlich die Komposition, weil er eine Oper ohne viel Gesang abgeben muss.
So kommt es schließlich zur Aufführung der Gräfin der Stille, wobei die Sängerin aus Liebwies nicht singen kann und der Komponist die Noten gestohlen hat. Die Heldinnen dieses Desasters treten in einen innigen Briefverkehr und erklären aus weiblicher Sicht das Wesen der Oper und machen sich über die Männerwelt lustig.
Als die Nazis schon lange am Ruder sind, wird die Frau des Komponisten noch kurz verhaftet, was sie als Beweis für hohe Qualität ihres Schaffens deutet. Noch später wird man die peinliche Geschichte vom Operndesaster ganz anders erzählen und alle in das helle Licht der Provinzszene rücken.
Irene Diwiak gibt diesen Figuren genug Luft, dass sie ihren Wahnsinn auch ordentlich entfalten können. "Ordnen Sie sich!" lautet der Befehl, wenn jemand nicht mehr weiterweiß. Liebwies ist ein entlegener Misthaufen, aus dem sich eine groteske Künstlerkarriere entwickelt und eine eigene Dynastie gründet. Der Name sagt alles, lieblich und aus Wald und Wiesen geboren. - Eine "herrliche" Karikatur des Kunstbetriebes, aufgerollt von den Damen des Geschäftes.
Helmuth Schönauer

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